Interview mit Maria Noichl, MdEP

Maria Noichl
Maximilian König

Ein Interview des BayernVorwärts (Mai 2024) mit der bayerischen SPD-Spitzenkandidatin für die Europawahl, MdEP Maria Noichl.

Liebe Maria, du bist seit 2014 SPD-Europaabgeordnete für Bayern und als Bundesvorsitzende der SPD FRAUEN eine der einflussreichsten Frauen in unserer Partei. Wie sieht Deine Europa-Bilanz nach 10 Jahren aus? Was hat Bayern davon, dass Du im Europaparlament sitzt?

Maria Noichl: Bei der Europa Bilanz muss ich Mandat und Parteiamt trennen. Die politischen Strömungen laufen nicht immer parallel und das ist auch vollkommen in Ordnung. Es muss nur im Fluss bleiben und die Arbeit auf beiden Seiten darf nicht stehen bleiben.

Stolz bin ich auf ein paar europäische Grundpfeiler, die uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ausmachen. Und da merkt man schon – ich spreche vom WIR. Die Kraft der Gruppe der Sozialdemokratie macht den Erfolg für Bayern, ganz Deutschland und Europa aus. Als einzelne Abgeordnete setze ich natürlich Themen und Schwerpunkte, doch es gilt hier wie überall: Der Erfolg ist nur gemeinsam möglich.

Wir stehen dafür ein, dass nur jene Länder Fördergelder erhalten, die die europäischen Werte und das Rechtssystem achten. Wir stimmen dafür, dass die Lieferketten fair und sozial gerecht sind. Wir stehen für den Schutz gegen Ausbeutung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, zum Beispiel in der Landwirtschaft. Wir sind für Lohntransparenz und Mindestlohn in der EU, um gerade Frauen endlich gerechter zu bezahlen

Wenn ich zurückblicke, merke ich aber auch ganz stark, wie die Herausforderungen seit 2014 die EU prägen: Noch nie waren weltweit so viel Menschen auf der Flucht wie heute. Migration als Weltaufgabe kann nicht beendet werden, muss in Europa aber gut geregelt werden. Hier ist noch viel Luft nach oben. Ungarn und Polen sowie die anderen Staaten aus der Visegrád-Gruppe stellten und stellen die EU seither auf die Probe. Die Corona-Pandemie hat dann vor Augen geführt, was es heißt, wenn die Grenzen von jetzt auf gleich wieder geschlossen werden, das Schengen-Abkommen außer Kraft ist.

Der Angriffskrieg Putins auf die Ukraine zeigte eine weitere, wieder ganz andere Seite Europas. Europa als Unterstützung eines souveränen Landes, das von einem Nachbarstaat angegriffen wurde. Diese Herausforderungen kamen von außen auf die EU zu.

Von innen merken wir einen zunehmenden Rechtsruck aus den Nationalstaaten. Meine Generation hat Eltern und Großeltern immer wieder befragt: „Wie war der Aufstieg der NSDAP damals möglich?“ Jetzt erleben wir es hautnah. So war es damals möglich, so ist es heute möglich. In den vergangenen 70 Jahren der EU wurde die Sozialdemokratie niemals so dringend gebraucht wie jetzt!

Warum sind unsere Kandidat:innen die stärksten Stimmen für Bayern in Europa?

Wie ich oben schon beschrieben habe – ohne Sozialdemokratie sähe Europa anders aus. Und da, wo bei uns gute Zusammenarbeit und Miteinander herrschen, gibt es bei den Anderen Zank und Missgunst.

Die Plakate zeigen es deutlich – zwischen Olaf Scholz und Katarina Barley passt kein Blatt Papier. Hier wird vertrauensvoll und zukunftsorientiert zusammengearbeitet. Ursula von der Leyen wird nicht mal plakatiert, steht auf keinem Wahlzettel. Auf dem Parteitag der CDU gab es Sticheleien gegen Europa statt einem gemeinsamen WIR.

Was für eine Vision von Europa haben wir speziell für die jungen Menschen in Bayern?

In meiner Jugend waren das freie Reisen und die unterschiedlichen Kulturen, die mehr und mehr zugänglich wurden, ein Inbegriff von Europa. An oberster Stelle stand aber natürlich das Friedensprojekt Europa. Das hat sich für die heutige Jugend verschoben. Sie kennt es nicht mehr anders als grenzenlos in der EU zu reisen – mit ein paar Ausnahmen – und in vielen Ländern mit dem Euro zu zahlen.

Durch den Krieg in der Ukraine hat sich das Friedensprojekt natürlich jetzt gewandelt. Jetzt gilt es, unsere Werte und unsere Demokratie zu verteidigen. Ein Europa des Friedens darf also nicht nur Vision sein, sondern ist unser Ziel. Ein friedliches, gleichgestelltes, sozialgerechtes und umweltschützendes Europa. Daher achte ich in meiner Arbeit besonders darauf, dass sie enkeltauglich ist.

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wollen unserer Jugend ein Europa übergeben, in dem sie und ihre eigenen Kinder und Kindeskinder gut und gerecht leben können

Du bist Mitglied im Ausschuss für Landwirtschaft und Ländliche Entwicklung. Was hat Europa, was die SPD in Europa den Bäuerinnen und Bauern in Bayern zu bieten?

Europa hat einen gemeinsamen Binnenmarkt mit Schutzvorgaben in Sachen Umwelt-, Klima-, Tier- und Arbeits- und Sozialschutz, die demokratisch ausgehandelt wurden. Die SPD in Europa will anstatt beim Klima- und Umweltschutz die Axt anzulegen, an nachhaltigen Lösungen für die existentiellen Sorgen der Bäuerinnen und Bauern arbeiten. Wir wollen etwa das Subventionssystem reformieren, die Preisbildung neugestalten, die Marktmacht der Bäuerinnen und Bauern stärken und unlauterem Wettbewerb (auch aus Drittstaaten) einen Riegel vorschieben.

Europa ist für Dich das Europa der Gleichstellung. Warum sollten gerade Frauen am 9. Juni die SPD wählen?

Deutschland und die anderen Mitgliedsstaaten verdanken der EU zahlreiche gleichstellungspolitische Errungenschaften. Hier werden Ideen geteilt, diskutiert und so in alle Mitgliedstaaten transportiert. Das fängt mit den Römischen Verträgen und dem Recht auf gleiche Bezahlung bei gleichwertiger Arbeit an und geht bis hin zur Quote in Aufsichtsräten sowie gemeinsamen Mindeststandards in der Gewaltbekämpfung.

Und all diese Vorhaben wären niemals Realität geworden, ohne dass sich die europäische Sozialdemokratie nachdrücklich und unermüdlich für sie eingesetzt hätte. Und auch jetzt stehen wir für Mindeststandards in Sachen Gleichstellung und Frauenrechte und stellen uns erfolgreich den Rechten und Konservativen entgegen, die versuchen die Uhr zurück zu drehen.

Wer uns für diese Jahrhundertaufgabe Kraft geben möchte, wer möchte, dass unsere Rechte unsere Rechte bleiben, der muss ganz klar SPD wählen.