Ein parlamentarisches Sondergremium des Europaparlaments soll die Vorwürfe über den Lauschangriff auf EU-Bürger untersuchen. Das haben die Europaabgeordneten in einer am Donnerstag in Straßburg angenommenen Resolution zum Internet-Überwachungsskandal beschlossen. Wolfgang Kreissl-Dörfler, außenpolitischer Sprecher der SPD-Europaabgeordneten und Kerstin Westphal, Expertin für US-Themen: "Die Totalüberwachung von EU-Bürgern ist mit unserem Verständnis von Rechtsstaatlichkeit nicht vereinbar. Mit der Resolution haben wir ein Zeichen gegen staatlichen Überwachungswahn und ausufernde Datensammelwut gesetzt."
Als Reaktion auf die skandalösen Enthüllungen, wonach offenbar der US-amerikanische und der britische Geheimdienst problemlos auf die intimsten Daten von einer halben Milliarde Europäern zugreifen können, fordern die Europaparlamentarier umfassende Aufklärung. Wolfgang Kreissl-Dörfler ist empört: "Gerade eine Bespitzelung durch einen EU-Mitgliedstaat, wie Großbritannien, führt die Unionsidee ad absurdum." Für Kerstin Westphal stellt sich dabei die Frage, nach welchen Kriterien die Daten erhoben werden und zu welchem Zweck: "Geht es wirklich nur um Terrorismusbekämpfung oder möglicherweise auch um Wirtschaftsspionage?" Die Überwachung von EU-Einrichtungen in Brüssel, New York oder Washington müsse zudem umgehend gestoppt werden.
Sollten sich die USA nicht kooperativ zeigen, fordern die SPD-Abgeordneten die EU-Kommission auf, bestehende Abkommen, wie etwa zur Weitergabe von Bankdaten (SWIFT) oder von Fluggastdaten (PNR), notfalls auf Eis zu legen. Wolfgang Kreissl-Dörfler: "Nationale Geheimdienste dürfen sich nicht zum Handlanger US-amerikanischer Überwachungsfantasien machen!" Ferner sieht die Resolution die Einrichtung eines parlamentarischen Sondergremiums zur Untersuchung dieses globalen Lauschangriffs vor. Das Gremium soll bis Ende des Jahres dem Plenum des Europaparlaments einen Bericht mit konkreten Empfehlungen vorlegen.
Kerstin Westphal bedauert, dass die sozialdemokratische Forderung nach einem Verhandlungs-Stopp über eine Freihandelszone zwischen der EU und den USA von einer konservativ-liberalen Parlamentsmehrheit verhindert wurde: "Es kann keine fairen Verhandlungen geben, wenn etwa Besprechungsräume der EU in Washington abgehört werden. Die EU-Kommission sollte die Gespräche aufschieben, bis die Vorwürfe geklärt und eventuelle Überwachungsmaßnahmen endgültig gestoppt sind."