Covid-19: Jetzt muss das Gesundheitssystem transformiert werden

17. Juni 2020

Die Arbeitsgemeinschaften der Bayern SPD, ASG und AfA, kritisieren die vielen Schwachstellen im Gesundheitssystem, die die Corona-Krise nun entlarvt. Sie fordern eine bessere Bedarfsbemessung und bessere Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten im Gesundheitswesen.

Zunehmende Profitorientierung, fehlende Planungspuffer und schlechte Arbeitsbedingungen im größten Industriezweig Deutschlands – die Corona-Pandemie verdeutlicht schonungslos, woran der Gesundheitssektor krankt. Die beiden Bayerischen Arbeitsgemeinschaften der Sozialdemokrat*innen im Gesundheitswesen (ASG-Bayern) und für Arbeitnehmerfragen (AfA-Bayern, fordern deshalb, die Krise für einen Wandel in Richtung eines gemeinwohlorientierten und menschenfokussierten Gesundheitssystems zu nutzen.

Knapp 900.000 Beschäftigte arbeiten derzeit in Bayern im Gesundheitssektor, deutschlandweit sind es sogar fast sechs Millionen Menschen. Das derzeitige Fallpauschalen-Finanzierungssystem (DRG-System) zwingt sie zu einer immer stärkeren Effizienzausrichtung, bei der die Patientenorientierung auf der Strecke bleibt. „Die derzeitige Krise eröffnet ganz neue Perspektiven“, erklärt Dr. Armin Rüger, langjähriger Vorsitzender der ASG-Bayern. „Spätestens jetzt müsste jedem und jeder klar sein, dass das Gesundheitssystem weder marktregulierenden noch gewinnorientierten Prinzipien überlassen werden darf“.

Dr. Steffen Landgraf, Mitgliedes des Vorstandes der ASG-Bayern, und seit über 15 Jahren selbst im Gesundheitswesen tätig, fordert zudem, dass neben dem laufenden Klinikbetrieb Puffer für zukünftige Engpässe oder Krisen geschaffen werden müssten. Er kritisiert: „Die sogenannten Vorhaltekosten sind im derzeitigen DRG-Finanzierungssystem überhaupt nicht vorgesehen.“ Ganz im Gegenteil schließe so ein System die Finanzierung von Pufferplanungen sogar aus. „Ein unzumutbarer Zustand“, so Dr. Steffen Landgraf. „Hier muss Abhilfe geschaffen und das existierende System mit Weitsicht an die gesellschaftlichen Notwendigkeiten angepasst werden.“

Gesundheitspolitik müsse auch auf kommunaler Ebene unterstützt werden, fordert Birgit Fruth, die stv. SPD Stadtverbandsvorsitzende und Fraktionsvorsitzende in Amberg. Fruth, selbst im Gesundheitswesen beschäftigt, will in der Krise nun ein besonderes Augenmerk auf kommunale Kliniken legen. „Es müssen sämtliche finanzielle Möglichkeiten des städtischen Haushalts ausgeschöpft werden, um die Versorgung in der öffentlichen Hand zu belassen. Die „große Politik" sollte ab sofort verständlichere und finanziell besser unterfütterte Rahmenbedingungen schaffen!", so Birgit Fruth.

Die Zeit am Patienten bleibt Luxus und droht weiter, auf ein Minimum reduziert zu werden. Gerade die „sprechende Medizin“, wie beispielsweise die Psychotherapie bzw. das „Sich-Kümmern“ um den Patienten, geraten immer weiter in den Hintergrund. „Dazu findet sich vor allem in den Service- und Pflegeberufen eine menschenunwürdig niedrige Bezahlung, vor allem, wenn man bedenkt, dass die Arbeitnehmer*innen in der Pflege teilweise Menschenleben verantworten. Viele Pfleger*innen sind so überlastet und frustriert, dass sie ihren Beruf wechseln, sie gehen in den Einrichtungen ab – in Krisenzeiten wie bei Covid-19 spürt man das sofort“, meint Ronja Endres, Vorsitzende der AfA-Bayern. „Diese unzumutbaren Zustände müssen gestoppt werden. Der Pflegeberuf ist durchaus attraktiv – wenn die Bedingungen wie Bezahlung, Freizeit und Planbarkeit stimmen. Ein kurzer Applaus und eine Einmalzahlung reichen nicht.“.

Das Gesundheitssystem ist im Kern eine gemeinwohlorientierte Institution. Seine Schwachstellen werden in der derzeitigen Corona-Krise überdeutlich. Daraus müssen die richtigen Konsequenzen gezogen werden. Die ASG-Bayern und die AfA-Bayern begreifen die gesellschaftliche Aufgabe des Gesundheitssystems als gemeinwohlorientierte und menschenfokussierte Daseinsvorsorge. „Denn das Wohlbefinden der Menschen ist auch systemrelevant“ so Dr. Landgraf.