Zu der heutigen Einigung um die Finanzierung der zweiten S-Bahn-Stammstrecke in München erklärt der Spitzenkandidat der BayernSPD Christian Ude:
"Jahrelang haben die schwarz-gelben Regierungen des Freistaats und der Bundesrepublik die Bevölkerung gequält mit ihrem Gezerre und Gewürge um die staatliche Finanzierung des staatlichen S-Bahn-Ausbaus. Jetzt haben sie endlich gemacht, was die Stadt München seit Jahren von ihnen forderte: Ernsthaft verhandelt. Und endlich kann für den Ausbau dieses größten Verkehrs- und Umweltprojektes Bayerns grünes Licht gegeben werden. Ende gut, alles gut. Aber an manche Entgleisung auf der 20-jährigen Strecke bis zur heutigen frohen Botschaft muss schon noch hingewiesen werden.
Immerhin ist das Projekt über zwei Jahrzehnte alt! Bereits 1991 wurde vom Münchner Stadtrat festgestellt, dass eine zweite Stammstrecke unentbehrlich ist, um einen Kollaps des S-Bahn-Systems abzuwenden. Und bereits 2001 stellte der Freistaat unter dem Beifall der Stadt fest, dass dafür nur eine zweite S-Bahn-Röhre in Betracht kommt. Seit etlichen Jahren liegen die erforderlichen Planungen vor. Nur auf ein Konzept für die staatliche Finanzierung dieses staatlichen Projektes wartete die Öffentlichkeit vergebens. Warum? Weil der Verkehrsetat des Bundes in erschreckendem Ausmaß unterfinanziert ist! Wer viele Steuergeschenke macht, hat halt kein Geld für die Infrastruktur. So wurde wertvolle Zeit vertan.
Im Sommer 2011 kam die CSU/FDP-Staatsregierung dann prompt nach der Bekanntgabe meiner Kandidatur auf die Idee, das drohende Scheitern des staatlichen Vorhabens ausgerechnet der Landeshauptstadt in die Schuhe zu schieben. Ausgerechnet die Stadt, die selber bei der städtischen U-Bahn in den kommenden Jahren mehr als 1 Milliarde Euro aufbringen muss, ganz allein natürlich, sollte 350 Millionen Euro zur Entlastung des Bundeshaushalts beisteuern. 350 Millionen Euro! Das hätte riesige Lücken in den städtischen Haushalt gerissen zu Lasten der Kinderbetreuung und des Schulwesens und des Wohnungsbaus! Wahrheitswidrig behauptete die Staatsregierung monatelang, es solle sich hierbei nur um eine „Vorfinanzierung“ handeln und die Stadt werde ihr Geld schon zurückbekommen. Erst später wurde zweifelsfrei bekannt, dass niemand jemals ernsthaft an eine Rückzahlung gedacht hatte und dass es künftig auch gar keine Bundesmittel geben würde, auf die man für diesen Zweck zurückgreifen könnte. Ich bin der Stadtratsmehrheit ausgesprochen dankbar, dass sie diesen dreisten Griff ins Stadtsäckel abgewehrt hat und sich weder durch Drohungen („dann bekommt ihr gar nichts!“) noch durch Beschimpfungen („die Stadt ist am Versagen des Staates schuld“) einschüchtern ließ.
Besonders drollig war die Rolle der Münchner FDP: Sie war zwar im Landtag wie ihr Minister für den zweiten S-Bahn-Tunnel, gleichzeitig aber im Münchner Stadtrat dagegen, allerdings war sie gleichwohl dafür, für die „grottenschlechte Planung“ (FDP-Fraktionssprecher Dr. Mattar) 350 Millionen Euro von der Stadt zu verlangen. Das verstehe, wer will. Seltsame Pirouetten hat auch Ministerpräsident Horst Seehofer gedreht, der doch tatsächlich im April diesen Jahres (!) das Projekt für tot erklärt und schon ein Staatsbegräbnis angekündigt hat. Erst ein paar Tage später kam die abermalige Kehrtwende, die Kenner schon erwartet hatten.
Trotzdem möchte ich heute dem Ministerpräsidenten auch danken: Im Juni diesen Jahres hat er mit dem Vorschlag, das bereits gezahlte Flughafendarlehen von Stadt, Land und Bund nunmehr für den S-Bahn-Ausbau zu verwenden, den ersten seriösen, fairen und verkraftbaren Vorschlag für eine Gemeinschaftslösung unter kommunaler Beteiligung gemacht. Diesen Vorschlag habe ich sofort befürwortet, weil dieses Geld aus dem städtischen Haushalt bereits abgeflossen war, so dass keine neuen Lücken in kommenden Haushaltsjahren ausgelöst werden. Immerhin leistet die Stadt damit (neben den von Anfang an vereinbarten 34 Millionen Euro für ein kommunales Teilprojekt) einen freiwilligen Finanzierungsbeitrag von 113 Millionen Euro. Das ist der größte kommunale Finanzierungsbeitrag, den jemals eine Stadt für die Staatsaufgabe des S-Bahn-Ausbaus in Deutschland geleistet hat.
Im Nachhinein wissen wir jetzt alle, dass die Forderung nach 350 Millionen Euro von der Stadt ausschließlich ein plumpes Wahlkampfmanöver war und dass Bund und Land ihre eigenen Pflichten nicht nach Belieben auf Kommunen abwälzen dürfen. Es wäre vor allem für finanzschwache Kommunen verhängnisvoll, wenn der Staat die Erfüllung seiner Pflichten davon abhängig machen dürfte, dass die eigentlich unzuständigen Kommunen die Finanzierung staatlicher Aufgaben mit „freiwilligen“ Beiträgen sicherstellen. Deshalb danke ich auch den Landkreisen des MVV-Gebiets mit ihren CSU-Landräten, ihren Landräten von den Freien Wählern und ihrer SPD-Landrätin für ihr Nein zur Abwälzung staatlicher Kosten auf kommunale Haushalte.
Auch wenn man sich das Wahlkampfgetöse hätte sparen können, ist jetzt das Ergebnis zu würdigen – als großer Erfolg für die 800.000 S-Bahn-Fahrgäste, die seit langem darauf warten, dass ihr Verkehrsmittel fit gemacht wird für die Zukunft und die ständig wachsende Nachfrage."