Vorwärts-Interview mit Natascha Kohnen zur Kommunalwahl in Bayern: „Die Menschen merken, wo die SPD regiert“

10. März 2020

Am Sonntag finden in Bayern Kommunalwahlen statt. Die SPD steht vielerorts vor einem Generationswechsel. „Es ist ganz entscheidend, wer an der Spitze einer Stadt oder einer Gemeinde steht“, betont SPD-Chefin Natascha Kohnen im Interview.

Rund 4800 kommunalpolitische Mandate hält die Bayern-SPD zurzeit. Hinzu kommen etwa 240 Oberbürgermeister, Bürgermeister und Landräte. Wieviele werden es nach der Kommunalwahl am 15. März sein?

Auch wenn ich schwerlich eine konkrete Zahl nennen kann, hoffe ich sehr, dass es nach der Kommunalwahl noch mehr sein werden. Es ist nämlich ganz entscheidend, wer an der Spitze einer Stadt oder einer Gemeinde steht. Die Menschen merken in ihrem Alltag, wo die SPD regiert – etwa wenn es um bezahlbare Mieten oder ausreichend Kita-Plätze geht.

Fünf der zehn SPD-Oberbürgermeister in kreisfreien Städten treten nicht wieder an, darunter Uli Maly in Nürnberg. Wie geht die bayerische SPD mit diesem Generationswechsel um?

Es freut mich total, dass wir sehr viel junge Bürgermeister-Kandidatinnen und -Kandidaten haben – übrigens nicht nur in den großen Städten, sondern auch in Fläche. Die nächste Generation kommt und ist unglaublich motiviert. Und die bisherigen Amtsträger gehen nicht, ohne mögliche Nachfolgerinnen und Nachfolger aufgebaut zu haben. In Nürnberg ist das beispielsweise sehr gut zu sehen, wo der 35-jährige Thorsten Brehm Nachfolger von Uli Maly werden möchte und einen fulminanten Wahlkampf hinlegt.

Die Landespartei hat zur Wahl „kommunalpolitische Leitlinien“ beschlossen. Sind sie so etwas wie ein landesweites Kommunalwahlprogramm?

In unseren kommunalpolitischen Leitlinien machen wir deutlich, worum es uns als Bayern-SPD insgesamt geht. Die Themen des täglichen Lebens wie Wohnen, Mobilität und Klimaschutz wolle wir mit dem sozialen Aspekt vereinen. Mit den Leitlinien geben wir Orientierung und einen gewissen Rahmen. Die Schwerpunkte in den einzelnen Kommunen setzten die SPD und ihre Kandidatinnen und Kandidaten aber natürlich vor Ort.

In ihren Leitlinien macht sich die bayerische SPD für eine „Reduzierung des Autoverkehrs bei gleichzeitiger Verbesserung der Mobilität“ stark. Wie soll das gelingen?

Das hängt davon ab, ob man in der Stadt oder in der Fläche wohnt. In München etwa geht es darum, den Verkehr mit Bussen und Bahnen so auszubauen, dass er einer wachsenden Anzahl von Fahrgästen gerecht wird und so attraktiv ist, dass sie vom Auto umsteigen. Die Diskussionen führen bis hin zum Einsatz von Seilbahnen. In der Fläche hingegen geht es eher darum, dass überhaupt ein Angebot besteht und, dass Bustaktungen und Anbindungen so ausgestaltet sind, dass nahtlose Umstiege möglich sind und Fahrgäste nicht stundenlang warten müssen. Ansonsten nehmen sie am Ende doch wieder das Auto.

Die SPD-Landtagsfraktion hat Anfang des Jahres ein „Maßnahmenpaket zur Stärkung der Kommunen“ beschlossen. Darin fordert sie u.a. einen „Gleichwertigkeits-Check“. Was soll der leisten?

Viele Probleme in den Städten wie steigende Mieten oder eine Zunahme des Verkehrs entstehen durch den geballten Zuzug aus dem Umland. Auch deshalb fordert die SPD seit Jahren von der Staatsregierung, dass sie den ländlichen Raum so fit macht, dass sich z.B. Start-ups auch dort niederlassen können, ohne auf etwas verzichten zu müssen. Dabei geht es etwa um die Frage des schnellen Internets, das viel zu oft noch nur in den Ballungszentren gewährleistet ist. Mit einem Gleichwertigkeitscheck wollen wir kontinuierlich anhand bestimmter Parameter überprüfen, wie es den ländlichen Regionen im Vergleich zu den Ballungszentren geht, um rechtzeitig Fehlentwicklungen entgegenwirken zu können.

Anfang Februar hat das von der Bayern-SPD mit initiierte „Volksbegehren Mietenstopp“ die erste Hürde genommen. Gibt das Rückenwind im Kommunalwahlkampf?

Das Volksbegehren haben wir nicht wegen der Kommunalwahl gestartet, sondern weil den Menschen an vielen Ort das Wasser bis zum Hals steht. In 162 Gemeinden in Bayern gibt es angespannte Wohnungsmärkte. In diesen „Notstandsgemeinden“ können die Menschen kaum noch ihre Miete bezahlen. Deshalb bin ich sehr froh, dass wir innerhalb von nur drei Monaten mehr als 50.000 Unterschriften sammeln und gerade auch an die Staatsregierung übergeben konnten. Aber natürlich hat das Volksbegehren das Thema Wohnen und Mieten im Kommunalwahlkampf nochmal in den Mittelpunkt gerückt. Die Staatsregierung ist bei diesem Thema erstaunlich wortkarg.

Ende April wird es einen außerordentlichen Landesparteitag geben. Steht der in einem Zusammenhang mit der Kommunalwahl?

Nein. Dieser Parteitag ist seit mehr als einem Jahr in diesem Zeitraum geplant. Er steht nur insofern in einem Zusammenhang, dass wir schon damals gesagt haben: Wir wollen direkt nach der Kommunalwahl den Blick auf die Landtagswahl 2023 richten und mit einer klaren Zuspitzung von Landesthemen durchstarten. Diese Profilierung werden wir mit einer Reform unserer Parteistrukturen kombinieren mit einem Schwerpunkt auf der Digitalisierung. Auf dem Parteitag wollen wir u.a. eine Bayern-SPD-App vorstellen. Das Ziel ist, von einem Traditionsdampfer zu einem Schnellboot zu werden.

Das Interview führte Kai Doering • 10. März 2020

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