Die BayernSPD trauert um Dr. Hans-Jochen Vogel - ein Nachruf

27. Juli 2020

Dr. Hans-Jochen Vogel ist tot. Wir trauern um unseren Genossen, einen klugen und leidenschaftlichen Mitstreiter für die Sozialdemokratische Sache und einen Ausnahmepolitiker, der die Sozialdemokratie in Bayern und der Bundesrepublik mit seinem politischen Feuer, seiner Geradlinigkeit und seinen unerschütterlichen Werten wie kein Zweiter prägte.

Er trat 1950 in die SPD ein und wurde 1960, mit nur 34 Jahren, zum Münchner Stadtoberhaupt und jüngstem Bürgermeister einer europäischen Millionenstadt überhaupt gewählt. In dieser Zeit prägte Hans-Jochen Vogel die bayerische Landeshauptstadt und holte mit viel Überzeugungskraft die Olympischen Spiele nach München. Von 1972 an lenkte er fünf Jahre lang die Geschicke unseres Landesverbands und wechselte als Spitzenkandidat der Bayern-SPD in den Bundestag. Vogel wurde 1972 Bauminister unter Kanzler Brandt, 1974 Justizminister unter Kanzler Schmidt und übernahm 1983 das Amt des SPD-Fraktionschefs im Bundestag. 1987 löste er Willi Brandt als SPD-Vorsitzenden ab. 1983 war Hans-Jochen Vogel Kanzlerkandidat der SPD, musste sich aber gegen Helmut Kohl geschlagen geben. Von 1990 an zog Vogel sich schrittweise von seinen Ämtern zurück und schied 1994 aus dem Bundestag aus.

Niemals aber hörte er auf, für seine politischen Überzeugungen einzutreten und bis zuletzt für seine Idee einer gerechten Gesellschaft zu kämpfen. Er pflegte regen Briefkontakt mit vielen Genossen und regelmäßig empfing er Besucher in seinem Alterswohnsitz, der Seniorenresidenz Augustinum in München. Eines seiner Herzensthemen war dabei die Bodenpolitik, in der er die Wurzel gesellschaftlicher Spaltung sah und für deren Reform er bereits in seiner Zeit als Bauminister eintrat.

Wir verlieren mit Hans-Jochen Vogel einen Freund und Ratgeber, einen Politiker, der wie kaum ein anderer für die gute Sache der Sozialdemokratie stand und einen Menschen, der vielen von uns bis zuletzt Vorbild war. Wir werden sein Andenken bewahren und uns unermüdlich für seine Idee einer gerechteren Gesellschaft stark machen. Unsere Gedanken sind bei seiner Familie.

Mitstreiter*innen und Freunde Hans-Jochen Vogels erinnern sich an ihren Genossen:

Natascha Kohnen, Vorsitzende der BayernSPD, die mit ihm speziell zum Thema Wohnen viele persönliche Gespräche führte und in einem regelmäßigen Briefverkehr stand, erinnert sich an ihn als wichtigen Ratgeber, aber auch Mahner, der hartnäckig sein konnte, wenn es um seine Überzeugungen ging. „Er sagte mir bei meinem Kampf für den Mietenstopp immer : Geh an die Wurzel des Problems. Vergaß ich in einer Rede, auf die Bodenpolitik zu sprechen zu kommen, kam meist schon am nächsten Tag ein Schreiben von ihm. Für mich wird dieser Kampf das Vermächtnis sein, das ich weiterführe, so lange ich Politik mache.“

BayernSPD-Generalsekretär Uli Grötsch sagt über Hans Jochen Vogel: Er war für mich einer der geradlinigsten und aufrechtesten Sozialdemokraten unserer Zeit.“ Vor allem, was die Konservierung der Geschichte der BayernSPD betrifft, standen Grötsch und der historische Beauftragte der BayernSPD, Bernhard Taubenberger, mit ihm in Austausch. „Die Geschichte der Sozialdemokratie, das Bewahren des Andenkens an ihre historische Leistung und deren Akteure waren ihm ein zentrales Anliegen. Für uns ergibt sich daraus ein Auftrag, den wir in die Zukunft tragen werden“

Renate Schmidt, ehemalige Landesvorsitzende, langjähriges Bundestags-, Landtagsmitglied und ehemalige Ministerin, bekam von Hans-Jochen Vogel seinerzeit den Landesvorsitz und die Spitzenkandidatur angetragen. Er gab ihr den Freibrief für eine Organisationsreform der BayernSPD und sie kämpfte später im Bundestag an seiner Seite. Sie erinnert sich an ihn als akribischen, aber auch witzigen,offenen und neugierigen Menschen. „Regelmäßig lud er als Fraktions- und Parteivorsitzender Persönlichkeiten außerhalb des Politikbetriebs wie Jürgen Habermas oder Michael Ende zu unseren Sitzungen ein. Alle wurden gefragt, wie sie die SPD sehen. Er hat immer hingesehen, wollte immer wissen, was ist. Auch seine Bürgersprechstunden gab er nicht auf, als er schon in höheren Ämtern war. Aus Zeitmangel fanden die eben um sechs Uhr Morgen statt. Dieses Hinsehen-Wollen, das Sich-Kümmern, habe ich mir von ihm für meine eigene Arbeit abgeschaut und bis zuletzt praktiziert."

Auch Florian Pronold, Staatssekretär im Umweltministerium und ehemaliger Vorsitzender der BayernSPD, sieht die soziale Bodenpolitik als einen Fingerzeig Hans-Jochen Vogels in Richtung Zukunft: „Sein letztes Buch ist eine Aufforderung an uns alle, weiter für eine gerechte Verteilung von Grund und Boden einzutreten.“ Eine von Pronolds prägendsten Erinnerungen an Hans-Jochen Vogel ist ein Abendessen anlässlich des Landtagswahlkampfs, bei dem Vogel und Helmut Schmid zu Gast waren. „Diese beiden Legenden im Gespräch zu sehen, war für mich als jungen Politiker etwas sehr Besonderes“.

Bernhard Winter, ehemaliger Bürgermeister von Markt Schwaben und Initiator der Sonntagsbegegnungen pflegte bis zuletzt eine enge Freundschaft mit Hans-Jochen Vogel. Er erinnert sich: „Hans-Jochen Vogel war Schirmherr meiner Sonntagsbegegnungen, von der 1. bis zur 100. Veranstaltung hat es diese Reihe begleitet. Zehn Mal hat er selbst als Dialogpartner mitgewirkt, u.a. mit Dieter Hildebrandt über "Alt werden" oder Anselm Grün über "Gott vertrauen". Und er war mir auf tiefe Art ein Freund: seit vielen Jahren durfte ich ihn regelmäßig zu Hause besuchen, über aktuelle Politik und über philosophische Fragen haben wir genauso geredet wie über unsere Familien oder unsere Lieblingsmarmeladen. Nie habe ich Hans-Jochen Vogel als Oberlehrer erlebt – aber oft als geduldigen und klugen Lehrer und Wegweiser: der mich nicht durch Worte und Ratschläge überzeugt und geprägt hat sondern durch die vorbildliche Art wie er bis in seine letzten Tage sein Leben gelebt hat. „Nicht jammern, stattdessen etwas tun!“, das ist der Satz, den Hans-Jochen Vogel bei den Sonntagsbegegnungen immer wieder an seine Zuhörer weitergegeben hat. Mit Kraft und lauter Stimme, aus tiefster Überzeugung und Lebenserfahrung, mit aus dem Herzen kommender Liebe zu seinen Mitmenschen.“

Carmen König-Rothemund, Vorsitzende der Georg-von-Vollmar-Akademie, würdigt sein Engagement für die Akademie, die Hans-Jochen Vogel bis zuletzt sehr am Herzen lag. „Er war geprägt von Waldemar von Knöringen und kämpfte, als die Einrichtung finanziell in Schieflage geriet, mit viel Leidenschaft für ihren Erhalt. Das tat er bis zuletzt, noch am Anfang der Corona-Pandemie erkundigte er sich bei mir, wie es uns ginge und warb er um Unterstützung bei vielen Genossen, für die Akademie zu spenden. Er wird uns sehr fehlen.”

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